Ökologische Station Flusslandschaft Ilmenau, Luhe und Neetze

Gewässern ausreichend Platz geben - Ökologische Station fordert naturbasierte Lösungen für den Hochwasserschutz

01. Februar 2024 | Fließgewässer, Auen

Hochwasser Ilmenau Hochwasser Anfang Januar an der Ilmenau  (Ökostation Ilmenau)

Seit Dezember ist die Hochwasserlage in Niedersachsen angespannt. Auch in den Landkreisen Lüneburg, Uelzen und Harburg traten vielerorts kleinere Flüsse und Bäche über die Ufer und führten stellenweise zu großflächigen Überschwemmungen. Die Ökologische Station Flusslandschaft Ilmenau, Luhe, Neetze fordert mehr naturbasierte Lösungen, um die Bedrohungen und Auswirkungen derartiger Hochwasser zu reduzieren.

Ine Pentz von der Ökologischen Station Flusslandschaft Ilmenau, Luhe, Neetze: „Das Wichtigste ist, dass die Flüsse und Bäche möglichst wieder den Raum erhalten, den sie historisch einmal eingenommen haben, um in Hochwassersituationen ausreichend Wasser aufzunehmen. Diesen Raum bieten die Auen. Diese flussbegleitenden Abschnitte werden überschwemmt, wenn viel Wasser anfällt. Sie müssen ausreichend breit sein um die angrenzenden und meist etwas höher liegenden Flächen und Siedlungen nicht zu gefährden.“

Mit hoher Wahrscheinlichkeit werden sich extreme Witterungsverhältnisse wie heftige Starkregen-Ereignisse und langanhaltender Dauerregen im Winterhalbjahr und lange Trockenheitsphasen im Sommer infolge der Klimakrise in Zukunft häufen. Rein technische Hochwasserschutzmaßnahmen, wie z.B. Deiche, stellen keine alleinige und vollständige Lösung dar. Ein zukunftsgerichteter Hochwasserschutz sollte daher ganzheitlich ausgerichtet sein. Er sollte naturbasierte Maßnahmen wie Renaturierungen von Flüssen und seiner Auen berücksichtigen und Flächenentsiegelungen beinhalten, die den Menschen und der Natur gleichermaßen zugutekommen. Somit können Synergien geschaffen werden, um Hochwasserrisiken zu minimieren, die Lebensqualität und den Artenschutz zu steigern. Naturbasierte Lösungen sind in der Regel zudem meist deutlich günstiger als technische.

Besonders naturnahe Auen können einen wichtigen Beitrag zu einem naturnahen Hochwasserschutz leisten. Der Boden der Auenwälder nimmt dabei das Wasser auf wie ein Schwamm und gibt es langsam auch in Trockenphasen nach und nach wieder ab. Neben Auwäldern kann auch eine Nutzung durch Grünland Hochwasser sehr gut speichern und abpuffern. Dadurch wird die Flutwelle gestreckt und verläuft flacher als an verbauten Flüssen, wodurch sich aus das Schadenspotenzial des Hochwassers verringert.

Insbesondere die Oberläufe von Gewässern sind für Hochwassersituationen wichtig. Wenn sich die Flüsse hier ausbreiten können und das Wasser versickern kann, wird die Menge an anfallendem Wasser in den Unterläufen reduziert und das Überschwemmungsrisiko verkleinert. Da in den Oberläufen der Gewässer meist keine ausreichend bewaldeten Auen oder Moore mehr vorhanden sind, die das Wasser lange halten können, ist der Druck besonders auf die Unterläufe der Gewässer hoch.

Die vergleichsweise hohen Anteile an Grünland, ungenutztem Offenland und Wald in den Oberläufen von Ilmenau und Luhe sind daher positiv zu bewerten und sollten noch weiter ausgedehnt werden.

„Außerhalb von Siedlungsbereichen erfüllen Überschwemmungen zudem wichtige ökologische Funktionen“, teilte Dr. Olaf Anderßon von der Ökologischen Station Flusslandschaft Ilmenau, Luhe, Neetze mit. „Dort, wo Gewässer über die Ufer treten können und angrenzende Flächen überschwemmt werden dürfen, ist ein wichtiger Ort für die Artenvielfalt. Denn hier finden eine Vielzahl unterschiedlicher und zum Teil hochgradig spezialisierte Arten einen Lebensraum. Auch können hier die Bodenwasserspeicher wieder aufgefüllt werden. In Deutschland sind jedoch nur noch 10 % der Auen intakt und können ihre natürlichen Funktionen erfüllen.“

Ine Pentz und Dr. Olaf Anderßon fassen zusammen: „Gewässer benötigen mehr Platz für die ihnen eigene Dynamik und ihre begleitenden Auwälder. Das Wasser sollte länger in der Landschaft gehalten werden, nicht nur als Hochwasserschutz, sondern auch als Schutz für Trockenzeiten und für den Erhalt der Artenvielfalt“.

 

Hintergrundinformationen

Die Ilmenau erreichte ihren Höchststand mit 273 cm (am Pegel Bienenbüttel) in den Weihnachtstagen. Im Vergleich zum mittleren Wasserstand von 90 cm lag der Wert hier 183 cm darüber. Ein ähnlich hoher Wasserstand wurde das letzte Mal 2002 verzeichnet. Der höchste dokumentierte Wasserstand stammt vom 19.3.1970. Hier maß der Pegel bei Bienenbüttel 323 cm.

Auch an der Luhe (Pegel Thansen) waren die Wasserstände außerordentlich angestiegen in diesem Winter. Der verzeichnete Höchststand war hier 117 cm (25.12.2023). Auch hier wurden 2002 ähnlich hohe Wasserstände verzeichnet, außerdem 2008 und 1996. Hier gibt es keine dokumentierten Messungen noch höherer Wasserstände. Im Vergleich zum mittleren Wasserstand (53 cm) lag der Wasserstand 64 cm darüber.

Flächennutzung in den Überschwemmungsbereichen der Luhe und der Ilmenau: An der Ilmenau weichen Ober- und Unterlauf stark voneinander ab. In ihrem Unterlauf (zwischen Winsen und Lüneburg) ist das Überschwemmungsgebiet sehr landwirtschaftlich geprägt. Hier sind nur 2,5% der Fläche bewaldet und 51% der Fläche werden als Acker genutzt. Im Ober- und Mittellauf der Ilmenau (zwischen Zusammenfluss Gerdau/Stederau und Lüneburg) dagegen ist ca. 12% der Fläche bewaldet, ca. 10% der Fläche wird als Acker genutzt, 60% sind Grünland, Brachen oder anderes ungenutztes Offenland. An der Luhe sind ca. 10% der Fläche im Überschwemmungsgebiet bewaldet, 27% werden als Acker genutzt, 56% sind Grünland, Brachen oder anderes ungenutztes Offenland.

 

Zusätzliche Informationen

PM des BUND-Niedersachsen: Bund fordert eine wirksame Strategie für vorsorgenden Hochwasserschutz

https://www.bund-niedersachsen.de/newsletterordner/newsletter-nds/hochwasserschutz/

Auenzustandsbericht 2021: https://www.bfn.de/publikationen/broschuere/auenzustandsbericht-2021

Policy-Brief der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung „Naturbasierte Lösungen verbessern Hochwasserschutz und Biodiversität“. https://www.senckenberg.de/wp-content/uploads/2022/06/220527-SGN-PolicyBrief-RZ-Online.pdf

 

Bei Rückfragen:
Ine Pentz und Dr. Olaf Anderßon, Ökologische Station Flusslandschaft Ilmenau, Luhe & Neetze des BUND, Telefon:  04131 249794, station(at)bund-ilmenau.de

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